Verehrte Kollegen, liebe Studenten unserer Theol. FakultŠt!
Der Dekan unserer FakultŠt hat fŸr unseren heutigen Thomas-Tag den Senior des Professorenkollegiums, den Dogmatiker als Prediger beim Festgottesdienst zu Ehren des hl. Thomas von Aquin ausersehen, vermutlich als eine unmšglich glŸckende Parallele zum hochverehrten Festredner beim anschlie§enden Festakt, weil auch dieser Dogmatik Professor war, bevor er in die hšchste Rangstufe der kirchlichen Hierarchie aufrŸckte.
WorŸber soll nun der Dogmatik Professor beim Festgottesdienst zu Ehren des hl. Thomas v. Aquin predigen?
Als ich dies zum letzten Mal tun durfte – es ist genau 15 Jahre her, als ich noch selber Dekan war - , da zeigte ich in der Predigt auf, wie der hl. Thomas selber die Worte des Herrn im Evangelium vom ãSalz der ErdeÒ und vom ãLicht der WeltÒ in seinem Kommentar zum MatthŠus-Evangelium lichtvoll und beherzigenswert fŸr uns alle gedeutet hat.
Diesmal mšchte ich mich an das halten, was die Kirche uns in der Festoration Ÿber den hl. Thomas von Aquin zu sagen wei§; und ich mšchte das deuten im Anschluss an die vor genau 100 Jahren erschienene heute noch beachtenswerte, bedeutsame Enzyklika ãAeterni PatrisÒ Leos XIII., der dort warm und eindringlich Leben und Lehre des hl. Thomas den Professoren und Studierenden der Philosophie und Theologie empfiehlt.
Die Festoration vom Fest des hl. Thomas von Aquin lautet in unserem deutschsprachigen Missale so: ãGott, Du Quell der Weisheit, Du hast dem hl. Thomas von Aquin ein leidenschaftliches Verlangen geschenkt, nach Heiligkeit zu streben und Deine Wahrheit zu erfassen. Hilf uns verstehen, was er gelehrt und nachahmen, was er uns vorgelebt hat ...Ò.
Es ist das eine sehr freie, mehr paraphrasierende als wšrtliche †bersetzung des lateinischen Textes. Da ich nun annehmen darf, dass weder unter den Professoren, Dozenten und Assistenten noch unter den Studenten solche Banausen sich finden, die jene Sprache verachten, unter der bildungsmŠ§ig Europa, das christliche Abendland, gro§ geworden ist, wage ich es, auf den lateinischen Text der Festoration zurŸckzugreifen, um diesen ein wenig zu kommentieren.
Der lateinische Text der Oration lautet so:
ãDeus, qui beatum Thomam sanctitatis
zelo et sacrae doctrinae studio conspicuum effecisti,
Da nobis,
quaesumus, et quae docuit, intellectu
conspicere, et quae gessit,
imitation complereÓ.
Beginnen wir mit dem ersten Wort, mit dem der hl. Thomas charakterisiert wird: ãconspicuusÒ wird er genannt; im Lexikon wird das mit ãsichtbar, auffallend, kenntlich, hervorragend, herausragendÒ Ÿbersetzt.
Wodurch und worin ragte Thomas hervor und heraus aus armseligem Durchschnitt, den es auch zu seiner Zeit, in der Scholastik, unter den Professoren und Studenten, unter den Magistri wie unter den Scholares gab?
Zu allererst – so wird es nun gesagt – ragte er heraus durch ãzelus sanctitatisÒ, also – wšrtlich Ÿbersetzt – durch ãHeiligkeitseiferÒ; in unserem deutschsprachigen Missale ist das eigentlich gro§artig Ÿbersetzt mit ãleidenschaftlichem Verlangen, nach Heiligkeit zu strebenÒ.
Und das zweite, wodurch Thomas hervorragte und herausragte: durch das ãstudium sacrae doctrinaeÒ, durch das eifrige Studium der ãheiligen LehreÒ, wobei unter der ãsacra doctrinaÒ zuerst die ãsacra paginaÒ, die ãHl. SchriftÒ, dann die Offenbarungswahrheit mit all dem, was Voraussetzung fŸr sie und Folgerung aus ihr ist, also die ãphilosophia perennisÒ und die Theologie gemeint ist.
ãConspicuus sanctitatis zelo et sacrae doctrinae studioÒ war also Thomas v. Aquin.
Jetzt gleich die kritische Frage, ob es sich heute noch lohnt, auf einen solchen Mann zu schauen, der in leidenschaftlichem Verlangen nach Heiligkeit strebte und in ernstem, eifrigem Studium in die Offenbarungswahrheit und in alles, was mit ihr zusammenhŠngt, einzudringen sucht und dabei Ÿber den Durchschnitt von damals und auch wohl von heute weit herausragt?! Unsere Zeit ist doch Ÿberall auf Gleichmacherei und Nivellierung aus, bis hin zu dem an sich nebensŠchlichen, aber symptomatischen Bestreben, alle unterscheidenden Noten bei den Examina abzuschaffen und auch in der Kleidung keine Unterschiede mehr gelten zu lassen. Alle sollen gleich sein und immer noch gleicher gemacht werden. Elite-Denken gilt heute schon als undemokratisch, alle sollen wir nur noch computergespeicherte Nummern sein. Wehe dem, der ein Streber ist und mehr leisten und mehr sein will als die anderen! Wie unzeitgemŠ§ ist es demnach, einen vor uns hinzustellen, der ãconspicuusÒ, hervorragend, herausragend war ãzelo sanctitatis et sacrae doctrinae studioÒ, der also ein leidenschaftliches verlangen hatte, nach Heiligkeit zu streben und die Offenbarungswahrheit tiefer als andere zu erfassen, um dann mit dem ãdominikanischen contemplata aliis tradereÒ ganz ernst zu machen.
Und doch – so meine ich – sollte es auch in unserer Zeit und wenigstens an einer Theol. FakultŠt nicht blo§ einige, sondern viele geben, die es in solcher Haltung dem hl. Thomas gleich zu tun bemŸht sind und denen es ein Herzensanliegen ist, ãea, quae docuit, intellectu conspicere, et ea, quae gessit, imitatione complereÒ, das, was dieser ãDoctor EcclesiaeÒ lehrte, zu erfassen und zu verstehen, und das, was dieser heilige vorlebte, nachzuahmen.
Es kommt fŸr den Ruf einer Theol. FakultŠt nicht unbedingt darauf an, dass an ihr mšglichst viele genial begabte Lehrer dozieren und mšglichst viele genial begabte Hšrer studieren. Geniale Begabung ist nicht jedermanns Sache und nicht jeder kann ãsub auspiciisÒ promovieren. Wohl aber mŸsste es an einer Theol. FakultŠt mšglichst viele unter den Professoren und Studenten geben,d enen der ãzelus sanctitatisÒ und das eifrige, ernste ãstudium sacrae doctrinaeÒ ein Herzensanliegen ist und die in religišs-sittlicher Hinsicht und in der Berufsarbeit als Lehrende und Studierende Ÿber bescheidenen durchschnitt herausragen und darum nicht dulden, dass das Niveau immer mehr gesenkt wird.
ãZelusÒ und ãStudiumÒ, ich mšchte diese beiden Begriffe im Leben und Lehren des hl. Thomas fast SchlŸsselbegriffe nennen; sie sollten es auch im Leben und Lehren, im Leben und Lernen der Mitglieder einer Theol. FakultŠt sein.
Studium sacrae doctrinae, es stŸnde auch und allen gut an, hei§t es doch schon im Buch der SprŸche 20,11: ãEx studiis suis intelligitur puer, si munda et recta sint opera ejusÒ (schon aus dem Studium des Kindes lŠsst sich erkennen, ob sein spŠteres Handeln lauter und redlich ist).
Was im Leben, Lernen und Lehren des hl. Thomas von Aquin der ãzelus sanctitatisÒ und das ãstudium sacrae doctrinaeÒ zu bedeuten haben, hat der gelehrte Papst Leo XIII. in folgendem Satz seiner enzyklika ãAeterni PatrisÒ vom 4. August 1879 auszudrŸcken versucht:
ãAusgerŸstet mit einem gelehrigen und scharfsinnigen Geist, einem leicht erfassenden und treuen GedŠchtnis, von strahlender Sittenreinheit, die Wahrheit in einzigartiger Weise liebend, an gšttlichem und menschlichem Wissen Ÿberreich, hat Thomas der Sonne gleich den Erdkreis durch die Glut seiner Tugenden erwŠrmt und mit dem Glanz seiner Lehre erfŸllt. Es gibt kein Gebiet in der Philosophie und Theologie, das er nicht scharfsinnig und gediegen behandelt hŠtte... Au§erdem hat er, wie es sich gebŸhrt, zwischen Vernunft und Glaube klar unterschieden, beide aber in einem Freundesbund geeint, die Rechte beider dabei jedoch immer wahrend.Ò
Ich mšchte schlie§en mit dem Gebet, das der hl. Thomas tŠglich seinem Studium vorausschickte und in welchem wieder so trefflich sein ãzelus sanctitatisÒ und sein ãstudium sacrae doctrinaeÒ zum Ausdruck kommen und worin Ÿberdies gezeigt wird, dass beides, der ãzelus sanctitatisÒ und das ãstudium sacrae doctrinaeÒ in der †berzeugung des hl. Thomas primŠr nicht menschliche Eigenleistung, sondern Gabe von oben sind, die erbetet werden mŸssen, weshalb es ja in der Festoration nachdrŸcklich hei§t, dass nicht Thomas selbst sich zu einem ãconspicuus zelo sanctitatis et studio sacrae doctrinaeÒ gemacht hat, sondern dazu von Gott gemacht worden ist: ãDeus, qui beatum Thomam sanctitatis zelo et sacrae doctrinae studio conspicuum effecistiÒ. Um diese doppelte Gabe hat Thomas in folgendem Gebet tŠglich mit gro§er Demut und Andacht gebetet:
ãCreator ineffabilis... Unaussprechlich gro§er Schšpfer, aus der FŸlle deiner Weisheit hast du drei Engelchšre bestellt und ihnen nach wunderbarem Plan im ganzen Lichthimmel ihre Wohnsitze angewiesen; und die Teile des Weltalls hast du in herrlicher Schšnheit geordnet. Du wirst mit Recht der Quell des Lichtes und der Weisheit und hocherhabener Urgrund von allem genannt; lass gnŠdig den Strahl deiner Klarheit hineinleuchten in die Finsternis meines Verstandes, um in mir aufzuhellen die zweifache Nacht der SŸnde und der Unwissenheit, in der ich geboren bin.
Du machst beredet die Zunge der UnmŸndigen: so lšse meine Zunge und lass deinen Gnadensegen auf meine Lippen stršmen!
Gib mir zum Verstehen (der Wahrheit) GeistesschŠrfe,
zum Behalten (der Wahrheit) Fassungskraft,
zum Erlernen (der Wahrheit) FŠhigkeit und Geschick,
zum ErklŠren (der Wahrheit) Genauigkeit
und zum Lernen und VerkŸnden (der Wahrheit) die FŸlle deiner Gnade.
FŸge den Anfang, richte den Fortgang, kršne den Ausgang, du wahrer Gott und Mensch, der du lebst und herrschest von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.